Schafe auf der grünen ‚Leitn‘
Die neue Raiffeisen Landesbank Kärnten kommt als transparenter Holzbau daher, und oben, auf dem begrünten Dach, grasen die Schafe. Architekt Jakob Dunkl von querkraft erklärt im Interview den Entwurf und verrät, was Nachhaltigkeit mit Liebe zu tun hat.
Ein transparenter Holzbau soll es werden, der sich vor der Stadt verneigt, anstatt sie – wie bisher der Bestand – haushoch zu überragen. Von außen sieht man Menschen, die in kleinen Loungebereichen oder vertieft vor ihren Rechnern sitzen. Der Brise Soleil vor der Glasfassade schützt nicht nur vor der mittäglichen Sonneneinstrahlung, sondern erzeugt über Solarzellen auch grünen Strom. Großzügige Terrassen sind in das schräge Dach eingeschnitten, das mit seiner begrünten Fläche an eine ‚Leitn‘ erinnert, wie man in Kärnten zu einem Hang sagt. „Wir wollen Schafe aufs Dach bringen“, sagt Jakob Dunkl, „und es wurde uns bisher noch nicht widersprochen.“ Als einer der Gründer des Wiener Architekturbüros querkraft erklärt er im Interview mit dem ubm magazin. den siegreichen Entwurf für die neue Raiffeisen Landesbank Kärnten in Klagenfurt.
Eine Bank, auf der die Schafe grasen, so etwas hat es bislang noch nicht gegeben. Aber für ein Geldinstitut, das ursprünglich aus der Landwirtschaft kommt, durchaus passend. Für neue Ideen seien die Banker jedenfalls sehr aufgeschlossen, sagt Dunkl. Und spätestens mit dem mehrfach preisgekrönten Ikea in der Wiener Innenstadt haben die kreativen Köpfe von querkraft bewiesen, dass sie radikale Ideen überzeugend umsetzen können.
Bankgebäude gaben sich seit jeher eher hermetisch und hochgeschlossen, gerne mit verspiegelten Fassaden, imposanten Lobbys und anderen baulichen Superlativen. Der Entwurf für die neue Raiffeisen Landesbank Kärnten verkörpert das Gegenteil. Wie würden Sie den geplanten Bau in wenigen Worten beschreiben?
Jakob Dunkl: Es ist zunächst einmal ein städtebauliches Projekt, insofern, als am Standort zuvor ein Hochhaus stand, und wir mit einem niedrigen, zum Stadtzentrum hin geneigten Baukörper reagiert haben. Das Gebäude ist das Gegenteil einer Trutzburg, es soll offen und freundlich sein. Wir glauben, dass ein Hochhaus im Zentrum von Klagenfurt nicht angemessen ist. Die Entscheidung für das neue Gebäude war sehr stark geprägt von dem Wunsch, kommunikative Arbeitswelten zu schaffen und auf Erdgeschossebene ein besonders einladendes Haus zu haben, was beim jetzigen Objekt nicht der Fall ist.
Das Gebäude ist das Gegenteil einer Trutzburg, es soll offen und freundlich sein.
Jakob Dunkl, Architekt und Gründungspartner von querkraft
Warum will man heute keine Trutzburgen mehr?
Einerseits sind die Gebäude die Möbel der Stadt und als Auftraggeber hat man eine gewisse Verantwortung dafür, was man in die Stadt stellt. Für ihr Selbstverständnis als Bank, für ihren Umgang mit Kunden und für ihre moderne Art des Arbeitens war diese Veränderung für Raiffeisen ganz wichtig: von einem Arbeitsplatz der Gänge und Zellenbüros zu vielfältigen Bürolandschaften; von einem hermetischen Hochhaus zu einem offenen, lebendigen Gebäude. Es wird im hinteren Teil Veranstaltungsräume geben, die auch für eine externe Nutzung offen sind. Das wird die Verbindung zwischen Bank und Stadt sehr fördern.
Flächen mit größtmöglicher Flexibilität zu planen ist heute State of the art. Ist es auch ein Garant für die Langlebigkeit eines Gebäudes?
Wir haben betreffend Langlebigkeit oder generell Nachhaltigkeit eine sehr klare Haltung. Einerseits ist alles zu unternehmen, um von Materialien und Techniken bis hin zur Energieversorgung eines Hauses ökologisch sinnvoll zu agieren. An zweiter Stelle steht die Flexibilität, also die Frage: Kann ich etwas auch noch in 20, in 30, in 100 Jahren gut nutzen? Der dritte Punkt ist der allerwichtigste: Wir glauben, die größte Form von Nachhaltigkeit ist, geliebte Architektur zu machen.
Was verstehen Sie darunter?
Es geht darum Gebäude zu schaffen, die geliebt werden, sei es aufgrund von Schönheit, Poesie oder Emotionalität. Auch wenn im Laufe der Zeit Nutzungsnachteile entstehen, tut man sich schwer, diese Gebäude eines Tages abzureißen. Das beste Beispiel dafür sind unsere historischen Bauwerke, die zum Teil auch nicht die idealsten sind. Ist das Wiener Rathaus das idealste aller Verwaltungsgebäude? Ist die Wiener Staatsoper das am flexibelsten zu bespielende Schauspielhaus der Welt? Vermutlich nicht, aber es handelt sich um Architektur, die man liebt wie ein altes Möbelstück, das mit schönen Erinnerungen verbunden ist.
Die größte Form von Nachhaltigkeit ist, geliebte Architektur zu machen.
Jakob Dunkl, Architekt und Gründungspartner von querkraft
Wo liegen denn die Grenzen des Nachhaltigkeitsdenkens?
In den 1960er-Jahren haben es die ArchitektInnen sehr gut gemeint und darauf geschaut, dass etwa die Gebäude in Ost-West-Richtung ausgerichtet sind. Dabei hat man aber auf den Städtebau komplett vergessen. Genauso dürfen wir jetzt nicht in einen eindimensionalen Öko-Funktionalismus verfallen, sondern müssen ganzheitliche Bauwerke schaffen, die die Zeit auch überdauern. Das Bestandsgebäude der Raiffeisen Landesbank hat das alles nicht erfüllt. Das war ein eher feindselig anmutender Lamellenbaukörper, der im Grundriss extrem unflexibel war. Und im Eingangsbereich gab es nichts, das man wirklich lieben konnte.
Das heißt, eine Transformation des Bestands kam nicht in Frage?
Wir haben im Wettbewerb alles getan, um das Hochhaus zu erhalten, weil wir aufgrund der Ressourcenthematik den Re-Use unbedingt forcieren wollten. So haben wir damals zwei Drittel der Zeit mit dem Versuch zugebracht, im alten Objekt durch Umbaumaßnahmen kommunikative Raumkonzepte zu schaffen. Es war aber nicht möglich, weil das Bestandsgebäude derart unglücklich geplant war. Zudem gab es auch eine technisch-konstruktive Problematik, sodass der Altbestand nicht zu erhalten war. So haben wir uns schweren Herzens für Abbruch und Neubau entschlossen. Dies sollte in der heutigen Zeit allerdings sehr wohl überlegt sein.
Wir dürfen jetzt nicht in einen eindimensionalen Öko-Funktionalismus verfallen, sondern müssen ganzheitliche Bauwerke schaffen, die die Zeit auch überdauern.
Jakob Dunkl, Architekt und Gründungspartner von querkraft
Ihr Büro hat einen konstruktiven Holzbau vorgeschlagen. Was sprach für dieses Baumaterial?
Wenn man ein bestehendes Hochhaus aus schlechten Materialien abreißt, dann muss man schon gut überlegen, was man dort hinstellt. Betrachtet man einen Lebenszyklus von hundert Jahren – wovon wir bei diesem Objekt ausgegangen sind –, dann lässt sich die Gesamtbilanz von Abriss und Neubau verantworten. Das Holz bindet langfristig CO2, und wenn wir heute damit bauen, helfen wir mit, das CO2-Level in den nächsten zwanzig Jahren zu senken.
Statt „höher, größer, weiter“ liegen die auszeichnenden Attribute heute bei „CO2-neutral, kreislauffähig, erneuerbar“. Wird die Nachhaltigkeit zum neuen Superlativ in der Architektur?
Vielleicht nicht global, da die althergebrachten Superlative etwa im arabischen Raum oder zum Teil in den USA noch zelebriert werden. Aber man merkt schon, dass sich in dieser Richtung jetzt etwas tut. Wir haben kürzlich an einem Wettbewerb für ein Objekt teilgenommen, bei dem der Auftraggeber ganz klar definiert hat: Es gibt eine Bausumme von 18 Millionen Euro und 2,5 Millionen zusätzlich nur für Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Also ja, die Nachhaltigkeit ist heute auch mit Prestige verbunden.
Wann ist denn ein Gebäude als nachhaltig zu bezeichnen?
Die Antwort darauf lässt sich oft nicht so leicht festmachen. Das sieht man etwa bei dem von uns geplanten Museum Liaunig in Kärnten. Die Nutzfläche von 8.000 Quadratmeter liegt zu einem großen Teil unter der Erde, nur ein kleiner Teil schaut raus. Der Energiehaushalt dieses Gebäudes ist sensationell, es braucht fast keine Kühlung oder Heizung. Ist es jetzt nachhaltig oder nicht? Das Ding ist aus Beton, und es gibt keine öffentliche Verkehrsanbindung. Aber es wurde vier Jahre nach seiner Eröffnung unter Denkmalschutz gestellt, und es wird geliebt, von Besuchern ebenso wie von Künstlern. Das heißt, das steht vielleicht für immer.
In unserer digitalen Arbeitswelt kommt der Architektur vermehrt die Aufgabe zu, Begegnungen zu fördern. Braucht es dafür neue architektonische Zusammenhänge?
Ja, die braucht es. Das beste Beispiel ist unser Büro. Hier gibt es keine einzige Trennwand, nicht einmal für uns Inhaber. Natürlich ist es manchmal laut, aber genau das macht es aus. Wir brauchen physische Orte der Kommunikation und der Störung. Ich will Kaffeetassen-Klappern hören und sehen, wie sich zwei MitarbeiterInnen miteinander unterhalten. Es ist der menschliche Faktor, der Abwechslung und Lebendigkeit ins Büro bringt. Nur perfekte Atmosphäre in schalldichten Räumen zu erzeugen, das macht keinen Sinn.
Wenn wir heute mit Holz bauen, helfen wir mit, das CO2-Level in den nächsten zwanzig Jahren zu senken.
Jakob Dunkl, Architekt und Gründungspartner von querkraft
Heute weiß man, dass sich natürliches Tageslicht, biogene Materialien und Pflanzen positiv auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Kann ein Bürogebäude heilsam sein?
Ich glaube, der Schlüssel zum Glück ist ein ganz einfacher, und zwar Freiraum. Vor hundert Jahren gab es Balkone an herrschaftlichen Villen, dann drangen sie langsam in den Wohnbereich vor und heute gibt es keinen Wohnungsbau mehr ohne Balkone. Im Moment sind die Bürogebäude an der Reihe. Der Mensch ist seit Jahrtausenden durch das Leben im Freien geprägt. Erst im letzten Wimpernschlag der Geschichte sind wir in Räume gezogen, die wettergeschützt, beheizt und gekühlt sind. Wir wollen aber raus und den frischen Regen am Boden riechen, auch während der Arbeitszeit. Wenn sie also einen sehr großen Freiflächenanteil haben, dann können Bürogebäude durchaus heilsam sein.
In Zeiten des War for Talents wird es immer wichtiger, dass sich Mitarbeitende mit den Werten eines Unternehmens identifizieren können. Als Architekt kann man diese Werte in gebaute Substanz gießen. Welche Werte soll die neue RLB in Klagenfurt verkörpern?
Transparenz, Offenheit, Übersichtlichkeit, Nachhaltigkeit, Hierarchielosigkeit, Inklusion. Wir kämpfen zum Beispiel für genderneutrale Toiletten, wie sie in ganz Skandinavien üblich sind, scheitern aber am Arbeitsinspektorat. Wir müssen mit unseren Gebäuden hier noch moderner werden. Die großzügig geplanten Fahrradabstellplätze sollen das Fahrrad als Verkehrsmittel zumindest genauso interessant machen wie das Auto. Und beim Freiflächenanteil gibt es von uns die klare Forderung: Von jedem Arbeitsplatz muss ein Freiraum in 30 bis 40 Meter Entfernung direkt zugänglich sein.
Interview: Gertraud Gerst
Fotos und Grafiken: querkraft, Guillermo Alvarez
Visualisierungen: querkraft – Patricia Bagienski-Grandits