Ein Speicher für geistige Nahrung
Ein Getreidespeicher wird zu einer Buchhandlung und bleibt gleichzeitig ein Kulturdenkmal Chinas. SU Architects haben einen Ort der Gegenwart geschaffen, bei dem man in die Vergangenheit eintauchen kann.
Draußen, im grünen Teil von Hefei, hat sich Kultur in Kultur gewandelt. Aus einem ehemaligen Getreidespeicher in der 10-Millionen-Stadt im Osten Chinas wurde eine Buchhandlung. Wo einst Lebensmittel gelagert wurden, lagert nun geistige Nahrung.
Geschichte und Innovation finden sich in den Mauern des Gebäudes wieder, das bereits in der Vergangenheit ein Kulturdenkmal Chinas war. Im heutigen Kultur- und Tourismuszentrum JuXing gelegen, legte man 1953 der Grundstein der Mauern, die damals den neuen Getreidespeicher bildeten. Siebzig Jahre später konnte nur ein Teil der ursprünglichen Substanz erhalten werden. Sie bildet jedoch den Grundstock für das neue Gebäude. Dessen Historie findet sich auch in seinem ungewöhnlich langen Namen wieder: Hefei1953 JuXing Getreidespeicher – Shanghai Sanlian Buchhandlung.
Ursprung und Kultur
Idee und Entwurf für dieses architektonische Meisterwerk stammen von dem chinesischen Architekturbüro SU Architects. Die Tradition des ländlichen Bauens, „Zeitlichkeit“ und „Regionalität“ stehen bei den Architekten im Mittelpunkt. Damit verbunden war die Erhaltung des Kulturgutes und insbesondere des Kulturgedankens von großer Bedeutung und eine willkommene Herausforderung für das Studio. Die Grundmauer des Gebäudes wurde aus einer Mischkonstruktion aus Ziegeln und Holz erbaut; nachhaltige Materialen, die das Hauptmauerwerk allerdings witterungsbedingt teilweise verfallen ließen. Um die Mauer und ihre kulturelle Geschichte größtenteils erhalten zu können, haben die Architekten eine neue Stahlrahmenkonstruktion entworfen. Sie stützt das Gebäude und verleiht ihm neue Stärke.
Zur Südseite hin musste ein Teil der originalen Mauer entfernt werden. Sie wurde durch eine Glasfassade ersetzt, die einen willkommenen Nebeneffekt mit sich bringt – natürlichen Lichteinfall. Blickt man von außen herein, lässt sich hinter der Glasfassade das Holzregal der Bücher erkennen. Von innen nach außen blickend, sieht man, wie sich das Licht in den Regalbrettern bricht und eine rundum harmonische Atmosphäre schafft.
Licht und Harmonie
Der ursprüngliche Getreidespeicher war in seiner Funktion ein robustes Gebäude, ohne Fenster. Verschlossen vor Licht zum Schutz des gelagerten Korns. Jetzt scheint die Innenarchitektur aus Holz die Wärme des Lichts regelrecht anzuziehen und verteilt sie in der neu entstandenen Buchhandlung. Ein eineinhalb Meter breites Dachfenster lässt Tageslicht durch eine runde, sich nach unten verbreiternde, Holzkonstruktion gleichsam säulenartig ins Innere. Im darunter liegenden, kreisförmigen Bereich bieten Sitzgelegenheiten für Schüler der nahegelegenen Grundschule die Möglichkeit, die Buchhandlung als Bibliothek zu nutzen.
Nach oben hin wandelt sich die runde Holzkonstruktion zur Regalfläche.
Generell bietet die Buchhandlung zahlreiche Sitzecken mit Sofas und Liegesesseln, Stühlen und Tischen. So ist für jeden Gast der richtige Platz zum Verweilen vorhanden, zum gemütlichen Stöbern, aktiven Lesen oder einfach nur, um in der Gesellschaft anderer Menschen – und der Bücher – zu sein. Wer mag, kann sich dazu noch das passende Getränk an der Bar holen. Eine durch und durch besondere Buchhandlung, die die Architekten in dem chinesischen Ort geschaffen haben, ein wahrhaftiges Kulturdenkmal.
SU Architects verfolgen ein Architekturkonzept, dass natürliche, lokale Materialen mit den Gegebenheiten der Landschaft verbindet und somit die architektonische Gestaltung unbewusst in den Vordergrund stellt. „Wir lassen auch die lokale Baukultur in den Entwurf einfließen, indem wir geeignete architektonische Elemente in der Landschaft platzieren, traditionelle und raffinierte Konstruktionen verfolgen und der Landschaft reichlich Vitalität und Himmel einhauchen“, so das Architekturstudio. Sie verbinden Design mit Originalität und erforschen durch ihre Entwürfe die lokale Architektur stetig weiter.
Text: Eva Schroeder
Fotos: ZERMANI ASSOCIATI
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